Die Vermessung Der Welt Hauptplakat

Die Vermessung der Welt

Plakat

Laufzeit: ca. 123 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Hauptdarsteller: Florian David Fitz, Albrecht Abraham Schuch

Regie: Detlev Buck

Ab dem 25. Oktober in den Lichtspielhäusern.

 

 

Wir befinden uns in der Dämmerung des 19. Jahrhunderts: Die Aufklärung ist in vollem Gange, alte, modrige Gesellschaftsstrukturen drohen einzustürzen und ein gewisser Bonaparte wird demnächst auch so einige Ordnungen umwerfen. Mitten hinein in diese Zeit der Umbrüche werden zwei Menschen geboren, die, jeder auf komplett verschiedene Weise, Weltbilder stürzen und erneuern werden: Carl Friedrich Gauß (Florian David Fitz) und Alexander von Humboldt (Albrecht Abraham Schuch). Und wo Gauß (Ja, werter Leser, den kennt man vielleicht von der Gauß’schen Glockenkurve aus dem Stochastikunterricht) ein genialer Mann des Geistes und der grauen Theorie ist, der schon mit Zwanzig die Arithmetik revolutioniert und damit sein Lebenswert vollendet hatte, ist von Humboldt ein niemals stiller Mann der Tat, ein Naturforscher, der auch den letzten Winkeln der Erde ihre Geheimnisse entreißen will. „Die Vermessung der Welt“ lädt uns nun ein, diese beiden Ausnahmepersönlichkeiten auf einigen Abschnitten ihrer jeweiligen Reise zu begleiten und schließlich der Begegnung jener ungleichen Seelen beizuwohnen.

Szenenbild 1

Die Gute Nachricht dabei ist, dass die Handlung des Films angenehm nah an der großartigen Buchvorlage bleibt. Aber das konnte man sich ja im Voraus schon erhoffen, immerhin durfte Autor Kehlmann auch am Drehbuch mitmischen. Leider, leider gelang es Regisseur und Mitverfasser am Filmscript Detlev Buck trotzdem nicht, den Sog und die Faszination, die der Vorlage inne liegen, mit auf die Leinwand zu bannen. Dafür war seine Herangehensweise nach Meinung des Autors dieser Kritik einfach nicht ernsthaft genug, das resultierende Werk wirkt schlicht zu flapsig. Das liegt hauptsächlich an übererzählten Pointen, die scheinbar nur aus der Angst geboren sind, der Zuschauer könnte einen Witz verpassen, weil er geraden nicht nachdenken möchte. Und es liegt an Darstellern wie Max Giermann und Michael Maertens, die ihre Rollen (einen preußischen Offizier bzw. den Herzog von Braunschweig) so furchtbar klamottig und flach portraitieren, dass man sich an schlimmste deutsche Fernsehformate à la „ProSieben Märchenstunde“ (um mal ein ganz grausiges Monster wachzurufen) erinnert fühlt. Und, wo wir schon von miesem Schauspiel reden, auch Darstellerin Vicky Krieps erweist sich als ein kolossaler Fehlgriff, da sie die Johanna, also Gaußens große Liebe, derart fade und emotionsfrei gestaltet, dass man sich nur noch in seinem Sessel vergraben möchte. Wie kann denn bitte so eine miese Leistung niemandem im Produktionsteam aufgefallen sein?

Szenenbild 2

Immerhin, von diesen drei Tiefpunkten einmal abgesehen sind eigentlich alle Darsteller erträglich bis tatsächlich richtig gut. Hier kommt es dem Projekt zugute, dass auch Österreich an der Produktion beteiligt war, denn so konnten gleich zwei großartige Mimen aus dem Land im Süden von Bayern den Leistungsschnitt ihrer deutschen Kollegen etwas ausbessern: Darsteller Nummer eins ist Karl Markovics, der den Lehrer und Entdecker von Gauß spielt – unglücklicherweise ist gerade seine Rolle sehr weit von ihrem viel interessanteren Pendant aus der Buchvorlage entfernt, sodass es für ihn leider nur wenig zu tun gibt. Der zweite Darsteller ist Georg Friedrich, der mit seinem unverkennbaren und herrlich breitem Wiener Akzent ausgerechnet als Sklavenhändler im tiefsten südamerikanischen Regenwald eine ganze Szene an sich reißen kann. Auf Seiten der Hauptdarsteller macht Florian David Fitz seine Sache tatsächlich sehr gut und spielt seinen Gauß fast durchgehend angenehm unterhaltsam. Schuch hingegen bleibt eher etwas blass. Richtig schlimm wird es bei beiden jedoch gegen Ende des Films: Da werden sie furchtbar offensichtlich auf alt geschminkt, um ihre Rollen auch nach einem Zeitsprung von mehreren Jahrzehnten noch verkörpern zu können. Das erinnert sehr unangenehm an „Prometheus“, und auch wenn der Effekt bei weitem nicht so grottig war wie bei ebenjener großen SciFi-Albernheit, so fragt man sich dennoch, warum die Macher nicht einfach zwei andere Darsteller passenderen Alters engagieren konnten.

Szenenbild 3

Ansonsten leidet „Die Vermessung der Welt“ an einem bedauerlicherweise immer noch typisch deutschen Problem: Einer biederen und irgendwie nach Fernsehen stinkenden Optik. Da kann die Ausstattung auch noch so hübsch sein (und gerade das Monstrositätenkabinett des Herzogs ist zumindest in dieser Hinsicht ein Augenschmaus), das Licht ist einfach irgendwie unpassend. Unnatürlich. Hässlich. Zu hell. Ein bisschen wie in eher günstigen Dokumentationen. Und man möge hier nun nicht mittels „dokumentarischem Stil“ oder ähnlichem Firlefanz argumentieren – kein Stilmittel sollte derart Augenscherzen verursachen. Und als wäre dieser irgendwie komische Weißstich nicht schon schlimm genug, wurde das Ganze auch noch in 3D gedreht, sodass der arme, jetzt schon gebeutelte Zuschauer den Kram auch noch für einige Euro mehr betrachten darf. Ohne wirklichen Zugewinn, denn es gibt eigentlich keine Szene, die man nicht genauso gut auch in zwei Dimensionen hätte sehen können. Wow, schon wieder etwas, das an „Prometheus“ erinnert.

 

Fazit:
„Die Vermessung der Welt“ unterhält nur, wo sie locker auch hätte faszinieren können. Welch‘ eine Verschwendung der großartigen Buchvorlage. Wer will, kann sich dieses Werk gern genehmigen, solange er nicht mehr erwartet als hübsche, seichte Unterhaltung. Wer mehr möchte, muss wohl doch immer noch zum Buch greifen. 6/10 Punkte.

 

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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →