Ein freudiges Ereignis

Plakat

Originaltitel: Un Heureux Événement

Laufzeit: 107 Minuten

FSK: freigegeben ab 6 Jahren

Hauptdarsteller: Louise Bourgoin, Pio Marmaï, Josaine Balasko, Thierry Fremont

Regie: Rémi Bezançon

Ab dem 4. April 2013 in den deutschen Kinos.

 

Die Philosophie-Studentin Barbara (Louise Bourgoin) und der Videotheken-Mitarbeiter Nicolas (Pio Marmai) haben sich unsterblich ineinander verliebt. Mitgerissen von den ersten Wogen aus Glückshormonen und rosaroter Brille taucht bei beiden plötzlich der recht unüberlegte Kinderwunsch auf, der schlussendlich in einem leidenschaftlichen Akt der Liebe gipfelt. Doch dieser trägt schneller Früchte als gedacht. Und so sieht sich Barbara mitten in der Abschlussarbeit mit einem positiven Schwangerschaftstest und ständiger Übelkeit konfrontiert. Und so muss sie sich – wohl oder übel – an das Prozedere von jeder werdenden Mutter gewöhnen: Arztbesuche, Schwangerschaftskurse, Hormonschübe und Abstinenz in vielfältiger Form. Doch das ist Nichts im Vergleich zu dem blanken Chaos, das nach der Geburt von Töchterchen Lea auf Barbara wartet und die einst glückliche Liebesbeziehung sukzessive zermürbt.

 

Szenenbild 1 (Foto: Camino Filmverleih)

 

Die Plakatüberschrift trifft es auf den Punkt: „Warum zum Teufel hat uns niemand gewarnt?“ Die Krönung der Liebe sollte es sein, die Frucht inniger Zuneigung, doch stattdessen haut die Geburt der kleinen Lea dem Liebespaar seine romantischen Illusionen so richtig um die Ohren. „Wir waren glücklich und verliebt“, heißt es im Trailer. Und die Betonung liegt hierbei auf „waren“. Denn im nächsten Bild folgt eine Begegnung mit der Kloschüssel. Und dazu ein Gesichtsausdruck von Schauspielerin Louise Bourgoin, bei dem es der werdenden Mutter wohl ganz leise dämmert, auf was sie sich da eingelassen hat – ein herrlicher Schnitt.

Was folgt, ist das komplette Programm: Der Beginn der Liebe ist dabei nur der Prolog zu einem entsetzlichen Prozess, der in eine – man muss es wirklich so nennen – Geburtenindustrie mündet, die nicht gerade mit Einfühlungsvermögen glänzt. Der Film zeigt, wie Barbaras Fragen, Wünsche und Gefühle einfach mit einem milden Lächeln übergangen werden und wie sie sich zunehmend von ihrem eigenen Körper entfremdet, geradezu enteignet fühlt, zur Gebär- und Milchmaschine funktionalisiert und damit auch entsexualisiert. Von der Empfängnis bis zur Geburt verliert Barbara sich selbst, wird von einem anderen Lebewesen in Beschlag genommen und entfernt sich so allmählich auch von ihrem Partner. Der eigentliche Ursprung des Kinderwunsches, die Liebe, wird durch ihn erst zerstört.

 

Szenenbild 2 (Foto: Camino Filmverleih)

 

Ein großartiges Paradox. Der Film traut sich ganz schön was, das Kleinod der bürgerlichen Kleinfamilie so anzugreifen. Doch das bleibt nicht der einzige Tabubruch. Da werden Dammschnitt, Libido, Schwangerensex, Selbstzweifel, Schwangerschaftsdepressionen, Rabenmutterangst und vieles mehr thematisiert. Und trotzdem hält das Familiendrama die Balance, kippt nicht zu sehr in einseitige Kritik, sondern zeigt eben auch die bezaubernden Momente zwischen Kind und Mutter, ohne plattem Kitsch zu verfallen.

Unklar bleibt, ob die Nebenhandlungen den Film abrunden oder ihn unnötig überladen. Barbaras schwierige Beziehung mit Mutter oder Schwiegermutter sorgen für amüsante Momente, könnten aber genau so gut auch weggelassen werden. Unverzichtbar ist allerdings die Aufschlüsselung von Barbara und Nicolas Beziehung. Ein ausdifferenziertes Partnerschaftsbild, das so manche Fallstricke in Zweierbeziehungen aufzeigt.

Es geht natürlich auch um Körperlichkeit, um Nacktheit und um Sex. Dabei muss man den wohldosierten Einsatz der Nackt- und Sexszenen besonders hervorheben. Diese sind in „Ein freudiges Ereignis“ kein erotischer Selbstzweck, sondern sie unterstützen den Erzählfluss und sorgen für Authentizität. Sie verleihen dem Ganzen eine angenehme Natürlichkeit, wirken niemals anrüchig und zeigen dem Zusehenden auch, dass Schwangerschaft eben teilweise entsexualisierend wirkt und Schwangerenerotik nach wie vor tabuisiert ist.

Ebenso lobenswert ist das Ende. Da kommt zunächst die Angst auf, der Film lässt nun doch klischeehafte Happy-End-Realitätsferne aufkommen – aber weit gefehlt. Stattdessen entscheidet sich Regisseur Rémi Bezançon für einen ausgewogenen Schluss – vielen Dank dafür!

 

Szenenbild 3 (Foto: Camino Filmverleih)

 

Fazit:

Der Film scheut sich nicht, zu zeigen, dass das ach so freudige Ereignis oft gar nicht so erheiternd ist. Dabei bleibt er trotzdem charmant und sehr sympathisch. „Ein freudiges Ereignis“ bricht mit dem Klischee der glücklichen Familie und des überheiligten Kinderwunsches – ein Wagnis, an dem jene Eltern zu knabbern haben, die sich gewisse Unzulänglichkeiten des Familienglücks nicht eingestehen wollen oder können. Die anderen werden allerdings einen Heidenspaß haben. Und deswegen streicht der mutige Film empfehlenswerte 7/10 Punkten ein.

 

 

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Sophiawenn sich die gebürtige und nach wie vor Heimatstadt verliebte Leipzigerin nicht gerade als freie Journalistin, Lektorin und Sprecherin durch den Medien-Dschungel schlägt, ist ihre Stimme vor allem in Kulturradios zu hören – dabei kann sie allerdings nie die Finger von Filmen lassen.Zeige alle Artikel von Sophia →