Genocidal Organ

Plakat

Originaltitel: Gyakusatsu Kikan

Laufzeit: 114 Minuten

FSK: ab 16 Jahren

Sprecher (dt. Fassung): Rainer Fritzsche, Dirk Müller, Giuliana Jakobeit, Viktor Neumann

Regie: Shuko Murase

Im Verleih von KAZÉ.

Seit dem 30. März auf allen Heimkino-Formaten erhältlich.

Es ist das Jahr 2020, fünf Jahre nach einem atomaren Terroranschlag im Herzen Sarajevos.‎ Während sich die westlichen Demokratien Stück für Stück zu Überwachungsstaaten entwickelt haben, fallen Dritte-Welt-Staaten und Schwellenländer zunehmend ins Chaos zurück: Eine beispiellose Welle von Völkermorden zieht über die Erde. Autritt Clavis Shepherd, Soldat der Abteilung „i“ der amerikanischen Special Forces, verantwortlich für die Aufklärung von Verbrechen an der Menschheit. Genauer gesagt für die schnelle und heimliche Liquidierung von Kriegsverbrechern. Einer von denen, die wohl schon alles gesehen haben. Und doch, sein nächster Fall wird auch für ihn noch neues bieten: Die Zielperson heißt John Paul und ist ein amerikanischer Linguist. Und wann immer er ein Land besuchte, brachen dort nur Monate später die Völkermorde los. Wer ist dieser König des Massenmords, und was hat er als nächstes vor? Eine heiße Spur führt nach Prag, und Clavis Shepherd bleibt nicht viel Zeit.

Szenenbild 1

Da ist er nun also, der dritte und letzte filmische Beitrag zu einem Werk des viel zu früh verstorbenen Autors Satoshi Itō, Künstlername „Project Itoh“. Wie auch die beiden anderen Werke punktet „Genocidal Organ“, die Adaption des gleichnamigen Romandebüts von Project Itoh, mit einer wunderbar durchdachten Welt, für die aktuelle technische Ideen klug beobachtet und in die nahe Zukunft projiziert wurden. Somit sind sowohl die dargestellte Alltagstechnik als auch die Militärtechnologien kreative und glaubwürdige Weiterentwicklungen des aktuellen Stands. Vor allem die Militäreinsätze wecken dabei auch Assoziationen zu den „Metal Gear“-Spielen – wohl nicht von ungefähr, wenn man sich Project Itohs Biografie näher anschaut. Auch in gesellschaftlicher Hinsicht liegt die dargestellte Welt im zumindest Bereich des Möglichen. Gruseligerweise, möchte man anmerken. Sehr schön ist, dass sich im Lauf der Handlung immer wieder kleine Gelegenheiten für gesellschaftskritische Anmerkungen ergeben.‎

Zentrales Thema von „Genocidal Organ“ ist die Idee von Linguistik als Waffe. Eine Grammatik des Todes, wenn man so will. Was nicht nur eine mal wirklich kreative Idee ist, sondern gleichzeitig auch eine hinreißend ausdrucksstarke Variante auf den alten Satz darstellt, dass Worte Waffen sein können. Und in einer Zeit, in der sich das Gift der Polemik immer wieder in politische Diskussionen einschleicht, ist dies eine durchaus aktuell gebliebene, unvermindert kraftvolle Metapher.

Szenenbild 2

Eine weitere klare Stärke dieser Adaption ist die Handlung. Gerade im Vergleich zum abgehoben-verkopften „Harmony“ und zum verspielt-abstrusen „Empire of Corpses“ punktet „Genocidal Organ“ mit einer wunderbar ausgewogenen Mischung aus ruhig-nachdenklichen Dialogen und heftigen Actionszenen. Möglich wird dieses Verhältnis durch eine Hauptfigur, die eine fast schon unwirkliche Mixtur aus Philosoph und Krieger in sich vereint. Andererseits, mit einem derart sprechenden Namen wie „Clavis Shepherd“ ist solch eine Kombi vielleicht auch vorbestimmt.‎ Und auch der Bösewicht des Films, mit nicht weniger sprechendem Namen, entpuppt sich eher als rücksichtsloses Genie denn als säbelrasselnder Fiesling.

Nur hinsichtlich einer bestimmten Wendung in den Handlungen ebenjenes Gegners gegen Ende schwächelt die Handlung dann doch und präsentiert eine etwas zu unmotivierte Lösung. Das eigentliche Ende von „Genocidal Organ“ allerdings versöhnt dann wieder. Denn klugerweise bleibt es etwas kryptisch und ausreichend offen – wie auch sollte es zu den formulierten Problemen ein sinnvolles Ende geben? Im Gegensatz zu den meisten anderen offenen Enden bekommt der Zuschauer aber ausreichend Puzzleteile in die Hand gedrückt, um sich den für ihn passendstem Ausgang zurechtzulegen. Großartig durchdacht, ein toller Kniff!

Szenenbild 3

Einzig die Zeichnungen und Animationen sind, vor allem zu Beginn, etwas gewöhnungsbedürftig, gerade bei den Charakteren. Zugutehalten muss man ihnen, dass sie zumindest eine gewisse Abwechslung zu den üblichen Anime-Bildern liefern. Der einzige klare Schnitzer bleiben damit die Computeranimationen, die viel zu offensichtlich als solche zu erkennen sind. Aber dieses Manko zieht sich ja durch die gesamte „Project Itoh“-Reihe.‎

Was wir ebenfalls schon von den vorangegangenen Filmen kennen: Die DVD- bzw. Blu-ray-Fassung kommt reichlich spartanisch daher. Angenehm zurückhaltendes, zum Film passendes Menü, neben der gelungenen deutschen Synchronfassung Zugriff auf die japanische Originaltonspur (samt Untertitel), und sonst nur drei Trailer – immerhin, dieses Mal auch für die beiden anderen „Project Itoh“-Filme. Weiterhin schade, aber wenigstens konsequent.

Szenenbild 4
Fazit:
Obwohl hierzulande als letzter Teil herausgebracht, eignet sich „Genocidal Organ“ nicht nur als zufriedenstellender Abschluss, sondern auch sehr gut als Einstieg in die (so oder so komplett unabhängig voneinander genießbaren) „Project Itoh“-Adaptionen, denn er ist zugänglicher als „Harmony“, mit deutlich ausgewogeneren Anteilen von Actionszenen und Gedankenspielen, und hat ein weitaus befriedigenderes Ende als „Empire of Corpses“. Wir sind hocherfreut über diesen gelungenen Abschluss der „Project Itoh“-Reihe, und feiern dies mit 8/10 Punkten.
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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →