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The Double

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Originaltitel: The Double

Laufzeit: 93 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Besetzung: Jesse Eisenberg, Mia Wasikowska, Wallace Shawn

Regie: Richard Ayoade

Im Verleih von Impuls Home Entertainment.

Ab dem 24. Juni auf Silberscheibe und Blauling.

 

Es gibt da ja so Menschen, die würden einem nie auffallen, und falls doch, hätte man sie wohl auch gleich wieder vergessen. Zum Beispiel Simon James (Jesse Eisenberg). Er ist schüchtern, einzelgängerisch und introvertiert. Und klug, aber was nützt ihm das schon, wenn ihm auf Arbeit niemand Beachtung zollt – nicht mal die Firmencomputer erkennen seine Existenz an. Und dabei arbeitet er sieben Jahre in diesem Laden! Auch die hübsche Hannah (Mia Wasikowska), für die er heimlich schwärmt, nimmt ihn kaum wahr. Dabei ist sie ihm doch eigentlich so ähnlich. Naja, manche Menschen haben einfach kein Glück.

Dafür fällt anderen das Glück quasi vor die Füße. Zum Beispiel James Simon (Jesse Eisenberg), ein charmantes Großmaul mit einem Berg von einem Ego, natürlich Weiberheld, mit wenig Ambition, Leistung zu liefern, aber umso mehr Fähigkeit, sich beim Chef einzuschleimen. Den nehmen natürlich alle wahr – dabei ist er Simon James wie aus dem Gesicht geschnitten.

Nachdem schließlich James einfach so in Simons Leben getrampelt kam, läuft alles erstmal ganz gut und die beiden werden Freunde. James profitiert von Simons Klugheit und Simon von James‘ Durchsetzungskraft. Doch lange wird das nicht gutgehen können, und spätestens bei der süßen Hannah hört die Freundschaft dann auch wieder auf!

Szenenbild 1

Unglaublich, aber wahr: Knapp zwei Jahre lang dümpelte „The Double“ ohne deutschen Starttermin herum! Der fast zeitgleich entstandene Film „Enemy“ von Denis Villeneuve hingegen, der ebenfalls eine Geschichte über Doppelgänger erzählt, bekam 2014 sogar eine Kinoauswertung. Was auf adäquat frustrierende Weise die oben beschriebene Beziehung zwischen Simon und James repliziert, denn „Enemy“ mag gut besetzt und in seiner Handlung ganz interessant sein, aber mit seinem aufgesetzt skurrilem Ende ist er der klar schwächere Film, der hier die deutlich bessere Beachtung erfuhr. Doch genug des alten Grolls, kümmern wir uns lieber um den endlich ins Licht der Öffentlichkeit gebrachten „The Double“.

Faktisch kommt die Vorlage von Fjodor Dostojewski, doch was Regisseur Richard Ayoade und sein Ko-Autor Avi Korine letztlich draus gemacht haben, fühlt sich weitaus mehr an wie von Kafka: Ständig ist unser Held willkürlichen Rückschlägen ausgesetzt, gegen die er nichts machen kann, weil sie jeglicher Kausalität oder manchmal auch einfach jeglicher Logik entbehren. Beispiel gefällig? Nun, Simon ist aus irgendeinem Grund nicht mehr im Computersystem und bräuchte somit einen neuen Ausweis – den er aber nicht bekommen kann, weil er nicht im System ist. Hach, hätte es zu Kafkas Zeiten schon Computer gegeben, der Mann hätte seine wahre Freude dran gehabt. Besonders lobenswert ist dabei die geniale Balance zwischen absurder Komik und gruseligem Irrsinn, die die Autoren hier fanden.

Szenenbild 2

Eingebettet ist dieses kafkaeske Spiel passenderweise in eine Welt, die wie eine Weiterentwicklung von Terry Gilliams bürokratisch-dystopischen Meisterwerk „Brazil“ daherkommt, technisch auf dem Stand der 50er/60er, in immer etwas trostlosen Farben gemalt und bis zum Rand gefüllt mit skurrilen bis überzeichneten Figuren. Und mittendrin: Zweimal Jesse Eisenberg und einmal Mia Wasikowska. Leider ist einer der drei ein kleines Problem für den Film.

Und so viel sei gesagt: Die Wasikowska ist es schon mal nicht. Die schafft es vorbildlich, ihre Hannah sowohl lebenslustig als auch einsam zu zeichnen und ihr genau die richtige Menge Verletzlichkeit zu verpassen. Dass sie dabei auch schlicht hinreißend ist und einen Kopierer so bedient, dass man stundenlang dabei zusehen könnte, das sorgt dann auch in der B-Note für Bestwertung.

Nein, das Problem ist eher bei Herrn Eisenberg zu suchen, und dort leider ausgerechnet bei Simon. Denn als James gibt er zwar ein tolles Arschloch ab, doch leider funktioniert er als Mauerblümchen nicht ganz so gut. Zwar immer noch passabel, aber hier wäre eine andere Besetzung vielleicht besser gewesen. Denn bei einem ansonsten so gut austarierten Film fällt dieses leichte Ungleichgewicht umso störender auf.

Szenenbild 3

Denn jenseits von besagter einzelner Castingentscheidung wirkt „The Double“ wunderbar absichtsvoll und reflektiert durchkomponiert. Jedes Detail wirkt bedeutsam, nichts erscheint zufällig oder gar nachlässig. Eine solch meisterliche und selbstsichere Inszenierung können nur sehr wenige Filme aufweisen, und allein deshalb sollte man einen Blick riskieren. Allerdings muss man dabei auch ein Auge zudrücken, denn man merkt dem Film schon an vielen Stellen sein eher dürftiges Budget an, vor allem in der Austattung und Ausleuchtung ergeben sich, dem an sich wundervollen Szenebild und der eine Aura von Einzigartigkeit verstrahlenden Optik zum Trotz, doch klare Abzüge. Und so kann der Film leider, leider auch keine Bilder aufweisen, die wirklich nach einer großen Leinwand verlangen.

Also ist es doch eigentlich nicht schlimm, dass „The Double“ hierzulande nicht in die Kinos kam, oder? Naja. Eine Kinoauswertung hätte der Film trotzdem mehr als verdient gehabt (in jedem Fall mehr als „Enemy“, möchte der Autor der Kritik nach nochmals grummelnd anmerken) – erstens, weil die ruhige und reizarme Umgebung eines Kinosaals bei der Entfaltung der vor allem anfangs sehr ruhig gehaltenen Story sehr hilfreich sein kann. Zweitens aber auch, weil der stimmungsvolle Score eine ordentliche Soundanlage verdient. Allein schon die Idee, nur japanische Schlager als Liedgut zu verwenden, ist großartig! Von den gelungenen Reminiszenzen an Franz Schuberts „Der Doppelgänger“ ganz zu schweigen.

Statt auf Leinwand liegt „The Double“ aber nun fürs Heimkino vor, auf einer DVD bzw. Blu-Ray (dieser Rezension lag dabei die Blu-Ray vor) ohne weiteres Zusatzmaterial (wenn man die Trailershow des Verleihs nicht mitzählt). Als Tonspur steht neben deutscher Synchronfassung und englischem O-Ton immerhin noch die französische Fassung zur Verfügung, natürlich sind deutsche Untertitel zuschaltbar. Viel ist es also nicht, aber dafür gibt es ein dickes, fettes Lob für das wahnsinnig elegant gewordene Menü, das so herrlich schlicht, funktional und intuitiv daherkommt wie sonst kaum ein Blu-Ray-Menü. Ein wahrlich überraschendes Highlight!

Szenenbild 4

Für wen aber eignet sich der Film? Nun, wer Kafka mag, sollte den Film auf jeden Fall im Hinterkopf behalten, Fans der Optik von „Brazil“ und vielleicht auch von „Being John Malkovich“ können auch mal einen Blick riskieren, ansonsten weist der Film noch angehme Züge von“Fight Club“ auf (nein, nicht das Mindfuck-Ende!) und ist wie gesagt hübsch skurril und zwischendurch überraschend heiter.

Fazit:
Ohne Zweifel ist „The Double“ einer der interessantesten Filme der letzten Zeit. Auf dem Heimkino-Sektor sowieso, aber auch mit aktuellen Kinostarts kann er in punkto interessante Story und stilsichere Inszenierung locker mithalten. Und in jedem Fall gebührt ihm die Krone des besten im Jahr 2013 gedrehten Filmes mit Doppelgänger-Thema. 8/10 Punkte – nimm das, „Enemy“!
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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →