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Under the Skin

Plakat

Originaltitel: Under the Skin

Laufzeit: 108 Minuten

FSK: ab 12 Jahren
Dank der ebenfalls enthaltenen Trailer zu „Kill List“ und „Sleep Tight“ sind DVD und Blu-Ray allerdings erst ab 16 Jahren freigegeben.

Besetzung: Scarlett Johansson

Regie: Jonathan Glazer

Ab dem 09. Oktober in den Lichtspielhäusern. Außerdem ab dem 10. Oktober auf Silberscheibe und Blauling.

 

Einsame schottische Männer auf der Jagd nach ein wenig Liebe. Männer ohne Familie oder sonstige Angehörige, die also niemand vermissen würde. Solche Männer sucht Laura (Scarlett Johansson). Und wenn die verführerische, rätselhafte Schwarzhaarige eines dieser Exemplare habhaft geworden ist, dann wird er für immer verschwinden. Warum diese schwarze Witwe sowas macht? Nun, so wirklich klärt man uns nicht darüber auf, aber zumindest die Eckdaten sind relativ klar: Laura ist eine Außerirdische, die für ihre Heimat auf Menschenjagd gehen darf. Doch irgendwas daran wirkt zunehmend falsch für unsere gut verkleidete Immigrantin, und so beschließt sie, auszubüchsen.

Szenenbild 1

Knapp 11½ Minuten dauert es, bis die ersten Worte den Mund der Hauptdarstellerin (und damit überhaupt irgendeiner Person) verlassen,  wohingegen sie nach gerade mal fünf Minuten bereits ihre erste Nacktszene ablieferte. Dazwischen und davor jede Menge super-bedeutungsschwangere Szenen mit teilweise ziemlich harten Schnitten und unterlegt mit psychedelischen Klängen: Allein der Anfang von „Under the Skin“ scheint nach Höchstwerten auf der Artsiness-Skala zu schielen.

Doch geben wir lieber gleich Entwarnung: Glücklicherweise ist die Inszenierung stilsicher genug, um sich schon binnen Minuten als über diesen Anfangsverdacht des Möchtegern-Künstlerischen erhaben zu zeigen. Allerdings arbeitet Regisseur Jonathan Glazer hier mit gleich mehreren ungewohnten und stellenweise auch ziemlich gewöhnungsbedürftigen Ansätzen.

Am Auffälligsten ist die ja schon erwähnte Armut an Dialogen, vor allem an handlungsrelevanten Dialogen. Glazer verwendet Sprache wie nebenbei, eher zur Untermalung und lässt die Geschichte seines Filmes fast ausschließlich durch Bilder und Handlungen erzählen. Einerseits ist natürlich ein toller Ansatz, der die Möglichkeiten des Mediums über die volle Laufzeit des Films zu nutzen versteht und einfach eine tolle Abwechslung darstellt, da der Film dadurch nie in den Drang verfällt, dem Zuschauer irgendetwas erklären zu wollen. Andererseits fordert diese Erzählweise den Zuschauer aber auch, schließlich muss man die ganze Zeit über selber seine Schlüsse ziehen und viele Puzzleteile eigenständig zusammensetzen. Das ist nun bei weitem nicht so komplex, wie es hier vielleicht klingen mag, aber ein Mindestmaß an Offenheit und vor allem Aufmerksamkeit sollte man schon mitbringen. Die werden dann aber auch entlohnt, und zwar nicht nur mit dem schon beschriebenen Hauch von Experimentalfilm.

Szenenbild 2

Denn auch optisch weiß der Film zu überzeugen. In langen, herrlich ruhig geführten Einstellungen wird toll Stimmung eingefangen und mittels passend-trostloser und irgendwie bedrückender, aber immer betörend-schöner Bilder widergegeben. Als Beilage gibt es mehrfach wundervoll skurrile Szenen, z.B. wenn Laura ihre Falle zuschnappen lässt und ihre hinter ihr her trottenden Verehrer plötzlich in schwarzer Flüssigkeit verschwinden. Untermalt wird das Ganze von einem tollen, manchmal fast sphärisch anmutenden Score.

Ein weiterer Vorzug des Filmes ist Scarlett Johansson. Und das ist keine versteckte Anspielung auf ihre anfangs ja schon erwähnten Nacktszenen. Tatsächlich liefert sie hier ein tolles Spiel ab, sowohl fremdartig und kalt, aber faszinierend, als auch verführerisch mit einem Rest Verletzlichkeit. Sehr gut getroffen, schön nuanciert. Auch die restlichen Darsteller wissen zu überzeugen und teilweise sogar zu überraschen. Denn ein weiterer ungewohnter Ansatz des Regisseurs war es, einige Nebenrollen, z.B. manche von Lauras Opfern, mit Laien zu besetzen – und zwar Laien, die zum Zeitpunkt der Aufnahme noch gar nichts von ihrer künftigen kurzen Filmkarriere wussten, sondern erst im Nachhinein aufgeklärt wurden und ihr Einverständnis gaben. Ganze Szenen wurden so mit versteckter Kamera gedreht, darunter auch Massenszenen auf offener Straße. Eine durchaus erfrischende Idee, in lobenswert reibungsloser Umsetzung.

Szenenbild 3

Jedoch, um ein Haar wäre dem Film eine Auswertung auf den heimischen Leinwänden verwehrt geblieben, denn der Verleih entschied sich ursprünglich für die reine Vermarktung im Heimkino-Sektor. Vielleicht durch die ungewohnte, fordernde Erzählweise, vielleicht auch einfach durch das auf den ersten Blick nicht nur leicht trashig anmutende Thema – denn geben wir es ruhig zu, die Geschichte um ein Alien, das sich als attraktive Frau verkleidet, um Männer zu verführen, ist ein klassisches Motiv eher billiger Produktionen. Dem Genrefan fallen da vielleicht Perlen wie die „Species“-Filme ein, oder auch eine Folge der TV-Anthologieserie „Outer Limits“ (mit dem vielsagenden Titel „Tödliche Liebe“ und einer immerhin ganz nett anzusehenden Alyssa Milano, die das mittlerweile bestimmt unter „Jugendsünde“ abgetan hat). Und auch wenn „Under the Skin“ auf einem eher bissigen denn trashigen Buch basiert (hierzulande unter dem Titel „Die Weltenwanderin“ vertrieben), muss man über die Inhaltsangabe erst mal hinauskommen.

Aber warum auch immer, ursprünglich jedenfalls sollte der Film die Leinwand meiden. Natürlich bedauerlich, denn nicht nur haben Bilder und Musik von „Under the Skin“ klar Leinwand respektive Kinosoundsystem verdient, im Kino ist es nach Meinung des Autors dieser Kritik auch weitaus besser möglich, seine Aufmerksamkeit auf diesen Film zu konzentrieren. Umso schöner ist es nun, dass nicht wenige Kinos den Film in Eigeninitiative herausbringen, und zwar parallel zum Heimkinostart. Für uns Leipziger ist das Luru-Kino in der Spinnerei der Anlaufpunkt, weitere Kinos im deutschsprachigen Raum finden sich unter undertheskin-film.de. Doch Achtung: Zumindest das Luru zeigt den Film im englischen Original. Das mag viele Vorteile haben, doch der sehr starke schottische Zungenschlag gerade der Nebendarsteller macht es auch ziemlich schwer, den Dialogen zu folgen. Andererseits sind die ja weder häufig noch allzu relevant. Aber trotzdem bist du, werter Leser, hiermit gewarnt.

Zuschauer, die einen Kinobesuch nicht wahrnehmen können oder wollen, haben aber natürlich zeitgleich die Möglichkeit, den Film zuhause zu genießen. Als kleinen Bonus enthält die DVD für die ganz Neugierigen ein zwar etwas sprödes, aber auch sehr informatives Making-of, dass mit klassischen Interviewzusammenschnitten an der Produktion Beteiligte zu jedem Aspekt des Filmemachens ein paar Worte verlieren lässt.

Szenenbild 3
Fazit:
Im Gegensatz zu anderen Projekten mit hübsches-Alien-auf-Männerjagd-Thema entpuppt sich „Under the Skin“ als durchaus ungewöhnlicher, angenehm subtil erzählter Film, der eventuell einen aufmerksamen und auch etwas aufgeschlossenen Zuschauer benötigt, diesen aber dafür auch mit etwas Glück mit einem der interessantesten Eindrücke dieses Kinojahres entlohnt. Auf jeden Fall ist es ein Projekt, das man getrost in der Schublade „Mal was anderes“ lagern darf. 8/10 durchaus ein wenig begeisterte Punkte sagen „Hut ab!“
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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →