47 Ronin (Sneak vom 27.01.2014)

Plakat

Originaltitel: 47 Ronin

Laufzeit: 118 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Besetzung: Keanu Reeves, Hiroyuki Sanada, Tadanobu Asano, Rinko Kikuchi

Regie: Carl Rinsch

Seit dem 30. Januar in den Lichtspielhäusern.

 

Wir befinden uns im Japan des 18. Jahrhunderts, genauer gesagt im beschaulichen Fürstentum Akō. Allerdings stehen der schönen, hellen Idylle dieser Gegend bald schon düstere Zeiten bevor. Denn Lord Kira (Tadanobu Asano), dem expansionistisch veranlagten Fürst des Nachbarreiches, gelingt es mit Unterstützung einer mächtigen, aber namenlosen Hexe (Rinko Kikuchi), eine Intrige gegen Akōs rechtmäßigen Herrscher Lord Asano (Min Tanaka) zu spinnen, die nicht nur besagten Asano in den rituellen Selbstmord zwingt, sondern auch noch sein Land und seine Tochter Mika (Kô Shibasaki) in die Hände Kiras fallen lässt.

Den ehemaligen Kriegern Asanos schmeckt das natürlich gar nicht, und so beschließt deren Anführer Ôishi (Hiroyuki Sanada), dem Ehrenkodex der Samurai zu folgen und Rache an Kira zu nehmen. Und das obwohl der Shogun (Cary-Hiroyuki Tagawa) genau dieses Verhalten explizit verboten hatte. Und so machen sich nach einigem Geplänkel 47 Rōnin (so nennt man nämlich herrenlose Samurai) auf den Weg, um Kira und seiner Hexe den Garaus zu machen – wohl wissend, dass sie danach noch einiges mit dem Shogun zu klären haben. Mit dabei ist übrigens auch das Halbblut Kai, gespielt von Keanu Reaves und klar als Identifikationsfigur für uns westliche Zuschauer angelegt. Hey, er darf sogar mit Prinzessin Mika knutschen!

Szenenbild 1

Die Vorzeichen waren ja denkbar mies. Erst verzögerte Universal Pictures den Filmstart, dann ließen die Kritiker kaum ein gutes Haar am Film, und nun ist das Projekt auch als größter Flop des noch jungen Jahres eigentlich schon wieder vom Tisch. Warum also noch eine Kritik dazu veröffentlich? Ganz einfach – weil „47 Ronin“ trotz alledem ein überraschend guter Film ist.

Es ist dem Verfasser dieser Zeilen schleierhaft, was fast der gesamten Welt der Filmkritik den Filmgenuss derart vergräzen konnte. Außer vielleicht die Vermutung, dass der Trailer viel zu viele falsche Hoffnungen auf einen etwas tumben, aber dafür ordentlich effektlastigen Actionkracher weckte. Denn obwohl der Film durchaus mehrere nett gemachte Kämpfe aufweisen kann, ist er im Grundtenor doch viel zu ruhig, um als reiner Guilty-Pleasure-Reißer überzeugen zu können. Ergo liegen die Stärken des Films auch jenseits der groß beworbenen Effekteschlachten.

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Hauptpluspunkt des Films ist nämlich seine Exotik. Die Korrektheit der dargestellten Lebenswelt des feudalen Japans kann der Autor dieser Kritik natürlich nicht einschätzen, wohl aber kann er ihr eine angenehme Authentizität bescheinigen und nicht genug loben, wie großartig unamerikanisch Handlung und Figuren daherkommen. Gerade die im Film verwendete Variante eines Happy Ends grenz sich wundervoll und vorbildlich vom üblichen Hollywood-Einheitsbrei ab. Dazu kommt natürlich auch noch, dass quasi alle Darsteller tatsächlich Japaner sind und bis auf die etwas planlos überzogen agierende Rinko Kikuchi auch richtig gute Arbeit abliefern. Und auch dass Alibi-„Halbblut“ Reeves überraschend zurrückhaltend verwendet wird, unterstützt den positiven Eindruck.

Ebenfalls ein großartiges Plus ergibt sich aus der Optik. Langfilm-Regiedebütant Carl Rinsch beweist hier ein wahnsinnig vielversprechendes Auge für Licht und Farben und schafft es z.B. mit dem Einsatz von Rottönen bei den Rüstungen der Samurai von Akō, ein paar Reminiszenzen an den großen japanischen Meisterregisseur Akira Kurosawa und dessen Spätwerk „Ran“ zu platzieren. Ein hübscher Hinweis darauf, dass jemand wohl seine Hausaufgaben gemacht hat. Etwas schade ist nur, dass der Film zu drei Vierteln eher düster daherkommt, sodass die Farbenpracht hier nicht wirklich zur Geltung kommt. Aber das ist vermutlich auch einfach ein besonders hinterhältiges Stilmittel.

Auch die eingefügten fantastischen Elemente passen sich gut in Handlung und Weltbild des Films ein. So würde es nicht wundern, wenn der Waldgeist, den die Akōrianer zu Beginn des Filmes jagen, auch in einem Studio-Ghibli-Film à la „Prinzessin Mononoke“ auftaucht. Die Effekte sind dabei mehr als passabel und das 3D ist immerhin für ein, zwei neckische Augenblinzel-Momente gut. Das sorgt für mehr Unterhaltung als bei den meisten anderen 3D-Steifen.

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Fazit:
Wer sich das vom Trailer versprochene reine Actionfeuerwerk erhofft, könnte vielleicht tatsächlich mit nicht nur geringer Enttäuschung den Saal  verlassen. Wer jedoch Lust auf zwei Stunden voll faszinierender Exotik mit stellenweise überraschender Ferne zum Hollywood-Mainstream hat, der sollte den 47 herrenlosen Samurai eine kleine Chance gewähren. 7/10 Punkte konnten sie sich beim Verfasser dieser Zeilen erkämpfen.

 

P.S.: Im Übrigen haben Schicksal und Produktionsfirma hier mal nicht mit Ironie gegeizt, denn ausgerechnet der Darsteller des bösen Lord Kira ist tatsächlich ein Nachfahre ebenjenes Asano, den die 47 Rōnin so eindrucksvoll gerächt haben sollen.

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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →