HueterDerErinnerung Hauptplakat

Hüter der Erinnerung (Sneak vom 12.09.2014 im Cineplex sowie vom 22.09.2014 im Cinestar)

Plakat

Originaltitel: The Giver

Laufzeit: 97 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Besetzung: Brenton Thwaites, Odeya Rush, Jeff Bridges, Alexander Skarsgård, Meryl Streep, Katie Holmes, Taylor Swift

Regie: Phillip Noyce

Ab dem 02. Oktober in den Lichtspielhäusern.

 

Es ist das Jahr 2048, es gab mal wieder einen Krieg, aber mittlerweile geht es schon wieder aufwärts. Denn ohne so lästige Dinge wie überbordende Emotionen oder unangenehme Erinnerungen lebt es sich ganz nett in der Gemeinschaft von Jonas (Brenton Thwaites). Alle sind zuvorkommend, niemand strebt danach, besser zu sein als andere und jeder ist angehalten, möglichst exakte Formulierungen zu nutzen (für Letzteres verspürt der Verfasser dieser Zeilen sogar ein klein wenig Neid). Doch natürlich ist in dieser Gesellschaft nicht alles Gold, das glänzt. Allein schon, weil sowieso keiner Farben wahrnehmen kann. Wobei das nicht so ganz stimmt. Wie auch Jonas herausfinden darf, denn er soll der neue „Hüter der Erinnerung“ werden und alle unliebsamen Gedanken an früher, als es noch Krieg und Not, aber auch Liebe und Glück zu erfahren gab, stellvertretend für alle anderen in sich aufnehmen und dort sicher verwahren. Nebenwirkungen: Der Drang, die tägliche Gefühlsblocker-Dosis zu schwänzen und damit einhergehend dieses typisch pubertär-warme Gefühl, wenn man der süßen Fiona (Odeya Rush) mit ihren hübschen roten Haaren (die ja eh‘ keinem außer Jonas auffallen) begegnet. Oh, und dass diese Gesellschaft noch eine ziemlich fiese Leiche im Keller als Fundament für ihr scheinbares Glück zu nutzen hat, versteht sich wohl von selbst.

Szenenbild 1

Ein knapp über 20 Jahre altes Kinderbuch als Vorlage – das riecht ein schon ein wenig nach einem Sonderangebot im Stammbücherladen des Produzenten. Aber nein, Häme wollen wir gar nicht aufkommen lassen, schon allein weil Jeff Bridges, der an diesem Projekt auch als Produzent beteiligt ist, den Stoff seit bereits 17 Jahren auf die Leinwand bringen möchte (zu Beginn übrigens noch mit seinem Vater Lloyd Bridges in der Rolle, die er nun selber spielt). Außerdem liefert „Hüter der Erinnerung“ für eine Kindergeschichte tatsächlich eine lobenswerte Herangehensweise an dystopische Weltentwürfe à la „Schöne neue Welt“ oder „Fahrenheit 451“ (letztgenanntes Buch kennen Filmfreunde vielleicht auch durch den schmucken Streifen „Equilibrium“, der auf einer kaum anderen Prämisse basiert). Den zwölfjährigen Protagonisten des Buches allerdings zum 16-Jährigen werden zu lassen, das riecht dann schon verdächtig nach marktwirtschaftlichem Kalkül. Immerhin kann man ihm dann auch noch eine nette, kleine und für die klar angeschielte „Panem“-Zielgruppe von nicht geringem Gewicht seiende Liebesgeschichte hinzudichten.

Bedauerlicherweise ist diese mittlerweile leider wohl genretypische Liebelei aber nicht das einzige, das aufgesetzt wirkt. Vielmehr erscheint die ganze Welt von hinten aufgezäumt, alles scheint auf Biegen und Brechen gerade so zusammengeschustert zu sein, dass unser Held am Ende irgendwie die Gemeinschaft retten kann. Wie er das macht, sei hier noch nicht verraten, wohl aber, dass dies eher einen WTF-Moment denn ein Aha-Erlebnis auslöst. Das kommt aber halt davon, wenn man eine blöde Grundprämisse konstruiert, nur damit man am Schluss eine einfach zu erzählende Lösung parat hat. Das ist aber in diesem Fall wirklich schade, denn an vielen Stellen kann der Film mit durchaus hübschen Ideen punkten, etwa dass Jonas Farben und Gefühle erst in dem Moment wahrnehmen kann, in dem ihm dank der aufgenommenen Erinnerungen die Worte und damit die Konzepte dahinter klar werden. Das ist ein durchaus schöner und auch etwas tiefsinniger Gedankengang. Hinzu kommt, hauptsächlich natürlich dank der jungen Zielgruppe der Buchvorlage, eine ungeohnt gewaltarme Darstellung der unschönen Zukunft. Immerhin mal eine schöne Abwechslung. Außerdem bietet das Ende, Logik hin oder her, einen löblich klaren Abschluss der Handlung, sodass man zur Abwechslung einmal nicht das Gefühl hat, hier gleich noch zwei, drei weitere Teile sehen zu müssen, von denen der letzte Teil auch nochmals zweigeteilt sein wird, bis die Geschichte dann endlich auserzählt ist. Klar, die Buchvorlage ist auch Teil einer Reihe, aber hier bauen die Bücher merkbar nur lose aufeinander auf.

Szenenbild 2

Und auch handwerklich kann der Film punkten. Das beginnt natürlich beim Cast, mit routiniert-überzeugenden Altdarstellern wie Jeff Bridges und Meryl Streep, aber auch einem sehr schön aufspielenden Alexander Skarsgård und einer Katie Holmes, der das Altern überraschend gut bekommen ist. Auch die Jungdarsteller sind ganz überzeugend besetzt, mit Ausnahme von ausgerechnet Hauptdarsteller Brenton Thwaites, der mit seinen 25 Lenzen schon ziemlich rudern muss, um noch als 16-Jähriger durchzukommen. Aber immerhin ist Odeya Rush niedlich genug, um von ihm abzulenken.

Optisch fällt der Film natürlich vor allem zu Beginn durch einige Spielereien mit der Farbwahrnehmung auf, die zwar ganz nett sind, aber gerade in den Szenen, in denen Jonas bereits vor Beginn seiner Ausbildung erste Andeutungen von Farbe sieht, noch weitaus subtiler hätten sein können. Ansonsten ist die Welt ganz überzeugend gestaltet, nur hätte man weit weniger häufig die platte Überwachungsstaat-Karte ausspielen können. Das wirkte hauptsächlich unsicher, so als müsste man auch ja klar machen, dass es sich hier ja um eine Dystopie handelt, was ohne wenigstens halbherzige Querverweise auf „1984“ ja nicht zu gehen scheint.

Ein Lob verdient hat sich der angenehm ruhige Score, auch wenn dadurch das Titellied von One Republic umso poppiger und damit erst recht fehl am Platz wirkte. Auch hier hört man wieder, wie die Rechenmaschine des Produzenten rattert.

Szenenbild 3
Fazit:
An vielen Stellen müffelt „Hüter der Erinnerung“ schon ziemlich deutlich nach Produzentenkalkül, aber nichtsdestotrotz präsentiert es eine der besseren dystopischen Welten der letzten Jahre, mit einem meist ganz überzeugenden Cast und einigen tatsächlich interessanten Ideen. Damit stellt der Film für den Verfasser dieser Zeilen eine überraschend gute Alternative für andere Massenware wie „Divergent“ oder die „Panem“-Filme dar. Hat er damit geschrieben, der „Hüter“ wäre besser als die „Tribute“? Ja, werter Leser, das hat er, aber mehr als 6/10 Punkte springen trotzdem nicht für den Film heraus.

 

P.S.: An dieser Stelle möchte sich der Autor dieser Kritik noch kurz eine lobende Erwähnung der offiziellen Seite zum Film leisten. Die ist so herrlich unaufgeregt und tiefenentspannend, dass er gern mehr in dieser Richtung erleben würde. Dann regt er sich auch nicht mehr so schlimm über miese Filme auf. Versprochen, werte Verleiher!

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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →