Maedelsabend Hauptplakat

Mädelsabend (Sneak vom 16.06.2014 im Cinestar)

Plakat

Originaltitel: Walk of Shame

Laufzeit: 95 Minuten

FSK: ab 12 Jahren

Besetzung: Elizabeth Banks, James Marsden, Oliver Hudson, Gillian Jacobs, Sarah Wright, Willie Garson, P. J. Byrne

Regie: Steven Brill

Seit dem 26. Juni in den Lichtspielhäusern.

 

Eigentlich war Nachrichtensprecherin Meghan Miles (Elizabeth Banks) immer eine ganz Brave. Doch nachdem ihr erst die Chance zum großen Durchbruch vor der Nase weggeschnappt wurde und sie dann auch noch von ihrem Lebenspartner verlassen wurde, lässt sie sich von ihren besten Freundinnen dazu hinreißen, zur Abwechslung mal ein bisschen über die Stränge zu schlagen. Was überraschenderweise ziemlich positiv ausgeht, trifft Meghan doch auf den süßen Barkeeper/Romancier Gordon (James Marsden) und verlebt mit ihm eine reichlich erquickliche Nacht in dessen Wohnung. Und als sie dann am nächsten Morgen auch noch erfährt, dass sie doch wieder im Rennen um ihren Traumjob ist, erscheint ihr ihr Glück unfassbar. Und das zu Recht, denn nicht nur sperrt sie sich kurz darauf aus Gordons Wohnung aus, sie darf auch feststellen, dass ihr Auto abgeschleppt wurde. Und so darf sie in einem nur bedingt als züchtig zu bezeichnenden Kleid per pedes vom Stadtrand L.A.s zurück in die Innenstadt gelangen, denn natürlich muss ihr funkelnagelneuer Schatz unbedingt in einer jener verrufenen Gegenden mit verlockend günstigen Mieten wohnen. Was den Beginn eines wahren Spießrutenlaufs markiert.

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Manchmal macht es einem die deutsche Lokalisation aber auch echt nicht einfach, eine grundsätzlich positive Meinung ihr gegenüber aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel, wenn irgendwo beschlossen wird, einen Film mit dem Titel „Walk of Shame“ hierzulande als „Mädelsabend“ zu vermarkten. Ja klar, in der Handlung gibt es einen Mädelsabend, aber der ist nach der Exposition komplett abgefrühstückt und in den restlichen vier Fünfteln des Filmes nicht einmal im Ansatz relevant. Was also hat den Verleih wohl geritten, sich solch ein Husarenstück in der Titelwahl zu leisten? Vielleicht erhoffte man sich ja eine Menge an sektlaunigen Damen mittleren Alters, die, sich spontan mit dem Titel identifizierend, vor die Leinwand gelockt werden könnten. Oder man ergab sich der noch weitaus verzweifelteren Hoffnung, ein paar der besonders verirrten Exemplare aus der „Hangover“-Zielgruppe einfangen zu können. Bezieht man allerdings auch den unsäglich dämlichen Untertitel „Nüchtern zu schüchtern“ in die Überlegungen mit ein, dann kommen auch verlorene Wetten oder verleihinterne Niveau-Limbo-Wettstreite als Erklärung in Betracht.

Doch widmen wir uns nun lieber erbaulicheren Themen. Nein, noch nicht dem Film an sich, das heben wir uns für den nächsten Absatz auf. Vorher möchte der Autor dieser Zeilen noch kurz auf einen vollkommen zu Unrecht quasi unbekannten Film aus der Zeit hinweisen, in der Martin Scorsese noch zu Recht als toller Regisseur galt: „Die Zeit nach Mitternacht“ respektive „After Hours“. Denn diese kleine Komödienperle, in der ein armer, gebeutelter Programmierer statt einfach nur nach Hause zu kommen durch immer neue Missverständnisse immer tiefer in die Bredouille gerät, hat so viel Ähnlichkeit mit dem vorliegenden Film, dass „Mädelsabend“ dem Verfasser dieser Kritik fast schon wie ein Remake davon vorkommt. Und ja, das meint er positiv. Und zwar nicht nur, weil „Die Zeit nach Mitternacht“ mittlerweile fast nirgends mehr zu bekommen ist.

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Denn „Mädelsabend“ entpuppt sich tatsächlich als sehr launige Komödie, deren Humor sich glücklicherweise auch nicht ausschließlich an das schöne Geschlecht richtet (was Trailer und vermaledeiter deutscher Titel ja durchaus andeuten). Und so kämpft sich eine meist sehr gut aufspielende, wenn auch vereinzelt etwas überzogen agierende Elizabeth Banks von einer abstrus-unterhaltsamen Situation in die nächste. Was tatsächlich fast immer ziemlich viel Spaß macht, andererseits aber durch die stark episodenhafte Struktur auch sehr zerstückelt und unzusammenhängend wirkt. Immerhin jedoch ist die Handlung konsistent und logisch und die Missverstände sind nachvollziehbar und in die Handlung passend konstruiert. Des Weiteren sorgen viele sehr gelungene Nebenfiguren, deren Darsteller trotz ihrer kurzen Auftritte allesamt klar überzeugen können, für Ausgleich. Besonders goldig ist dabei der Junkie Pookie, dargestellt von Alphonso McAuley, der einem tatsächlich ein wenig ans Herz zu wachsen vermag. Und mit James Marsden konnte man einen männlichen Gegenpart gewinnen, der tatsächlich vor Charme nur so sprüht. Was auch bitter nötig ist, da man nur so die immerhin überraschend wenigen eklig-üblichen RomKom-Momente entschärft bekommt, die man dann doch nicht umschiffen konnte.

Einzig das Finale hätte dem Autoren dieser Zeilen, gerade mit „Die Zeit nach Mitternacht“ im Hinterkopf, um einiges furioser geraten können. Stattdessen erhalten wir aber einen sehr gediegenen Ausklang mit der hübschen kleinen Moral, beim nächsten Mal ein Buch doch nicht gleich nach dem Umschlag zu bewerten. Das mag jetzt zugegebenermaßen nicht die bedeutsamste Lehre seit dem kategorischen Imperativ sein, wird dafür aber mit angenehm reduzierten Holzhammeranteil präsentiert. Und hey, vielleicht wählte der Verleih ja auch zur Untermalung dieser niedlichen kleinen Lektion einen solch miesen deutschen Titel.

Szenenbild 3
Fazit:
Etwas überraschend entpuppt sich „Mädelsabend“ als sehr unterhaltsame Komödie, mit der man gut die Zeit zwischen den Fußballspielen oder die deprimierende Leere der Innenstadt während eines solchen vertreiben kann. Vor allem, wenn man den jetzt aber wirklich oft genug erwähnten „Die Zeit nach Mitternacht“ noch nicht kennt. 7/10 Punkte.
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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →