Carrie Plakat 2

Carrie (Sneak vom 18.11.2013 im Cinestar)

Plakat

Originaltitel: Carrie

Laufzeit: 100 Minuten

FSK: ab 16 Jahren

Besetzung: Chloë Grace Moretz, Julianne Moore

Regie: Kimberly Peirce

Ab dem 05. Dezember in den Lichtspielhäusern.

 

Carrie White (Chloë Grace Moretz) ist anders. Das beginnt bei ihrer schüchternen Art und geht weiter bei der eigenwilligen Erziehung, die ihr ihre sehr, sehr gläubige Mutter Margaret (Julianne Moore) hat angedeihen lassen. Fehlende Aufklärung inklusive. Was ihr auch prompt den gesammelten Spott einer vollen Mädchenumkleide beschert. Und das ist erst der Anfang einer Entwicklung, die in einen selbst für amerikanische Verhältnisse denkwürdigen Amoklauf münden wird. Denn auch in dieser Angelegenheit ist Carrie White etwas ganz Besonderes.

Szenenbild 1

Man hat sich ja eigentlich schon fast damit abgefunden, dass es den Amerikanern offenbar leichter erscheint, einen komplett neuen Film zu drehen als schon vorhandene Werke zu synchronisieren oder gar schlicht und ergreifend mal eine Wiederaufführung anzusetzen. Doch es wirft sich nichtsdestotrotz ganz gern die Frage auf, warum man nicht einfach die Vorlage nochmal sehen sollte, statt sich die aufgewärmte Neuumsetzung anzutun. Der vorliegende Film muss diese Frage immerhin nicht scheuen, denn er entpuppt sich in allen Belangen als eine gelungene Anpassung der Themen von Film- als auch Buchvorlage an die aktuellen Sehgewohnheiten.

Das beginnt selbstverständlich bei den Spezialeffekten, die Carries telekinetischen Fähigkeiten auf eine Art und Weise illustrieren, von der De Palma in seiner ’76er Version sowohl aus technischen als auch aus finanziellen Gründen nur träumen konnte. Weshalb auch weitaus mehr derartige Kunststücke ihren Weg in den Film fanden. Noch viel deutlicher zeigt sich der Neuwert dieser Neuverfilmung aber bei den beiden Hauptrollen. Gerade Julianne Moore schafft es großartig, ihrer Rolle einige neue und interessante Facetten abzugewinnen und spielt ihre Figur herrlich zerrissen zwischen religiösen Wahn und eigentlich bedingungsloser Mutterliebe. Was letztlich sogar eine weitaus imposantere Darstellung abgibt als die zumindest nach heutigen Maßstäben doch sehr flach gebliebene Mutter im Original. Chloë Grace Moretz kann da nicht ganz so viele neue Akzente setzen, doch auch sie ist stets zumindest auf dem gleichen Niveau wie dereinst Sissy Spacek 1976 und hat den Vorteil, in ihrem Verhalten für ein zeitgenössischen Publikum zugänglicher zu sein als die 40 Jahre alte Vorlage. Trotzdem allerdings sind Mutter und Tochter, so wie eigentlich alle anderen Figuren des Films auch, mit nicht übermäßig viel Tiefgang gesegnet.

Szenenbild 2

Auch Optik und Akustik sind logischerweise weitaus aktueller, was gerade in Hinsicht auf das Gehörte sehr angenehm ist, denn die ständige Bezugnahme auf das Geigenmotiv von „Psycho“ war eine doch ziemlich nervige Angewohnheit, die sich Hitchcock-Fanboy De Palma da leistete. In Hinsicht auf die Handlung allerdings gleichen sich die beiden Filme fast vollkommen, was nicht uneingeschränkt positiv zu sehen ist, denn nach 40 Jahren und nicht gerade wenigen Amokläufen mehr hätte man vielleicht ein paar neue Ansätze erwarten können. Andererseits sind natürlich viele der Themen von „Carrie“ noch ungebrochen aktuell, gerade wenn es um klassisch amerikanische Wahnvorstellungen wie religiösen Fanatismus, egozentrische Geltungssucht oder narzisstisch verblendetes Gutmenschentum geht. Und immerhin die letzten beiden Themen wurden in der Neuverfilmung auch um Einiges besser herausgearbeitet.

Ein richtig großes Problem hingegen, das von der Vorlage quasi komplett übernommen wurde, ist der eher zähe Handlungsaufbau. Denn mindestens zwei Drittel des Films fühlen sich so gut wie gar nicht an wie der von Trailer und sonstigem Marketing versprochene Horrorfilm, sondern wirken eher wie eine nur latent bedrohliche Variante von „Pretty in Pink.“ Nur mit weniger Charme und viel mehr Konventionalität. Erst im Finale wird „Carrie“ dann dem Ab-16-Urteil der FSK vollauf gerecht und glänz hier durch eine Zerstörungswut, die man der alten Vorlage auch schon gegönnt hätte. Wobei ein paar vereinzelte Albernheiten schon hätten weggelassen werden können – z.B. das derb übertriebene Ende einer gewissen Beifahrerin.

Szenenbild 3
Fazit:
Letztlich zeigt die neue „Carrie“ alle Stärken und Schwächen der alten, ist dabei aber weitaus passender für das moderne Auge und Ohr. Das macht den Film zwar zu einem vorbildlichen Remake, die vom Original übernommene unausgegorene und überraschungsarme Handlung allerdings drücken den Film dann doch in den oberen Durchschnitt zurück, in dem auch schon die Vorlage nach Meinung des Autors dieser Kritik dümpelt. 6/10 Punkte also. Für beide Carries.
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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →