Stoker Hauptplakat

Stoker – Die Unschuld endet (OV-Sneak vom 01.04.2013 im Cinestar)

Plakat

Originaltitel: Stoker

Laufzeit: 99 Minuten

FSK: ab 16 Jahren

Darsteller: Mia Wasikowska, Matthew Goode, Dermot Mulroney, Jacki Weaver, Nicole Kidman, Phyllis Somerville, Alden Ehrenreich, Lucas Till, Ralph Brown, Judith Godrèche

Regie: Park Chan-wook

Ab dem 09. Mai in den Lichtspielhäusern.

 

 

India Stoker (Mia Wasikowska) ist nicht wie die anderen Kinder. Ja, das klingt nach einer Plattitüde, doch India ist wirklich anders. Sie ist so sensibel, dass sie noch die leisesten Geräusche wahrnehmen kann, scheut deshalb Berührungen jeglicher Art, ist hochgradig introvertiert und hat ein reges Interesse für das Makabre und Abgründige. Ihr Vater Richard (Dermot Mulroney) wusste damit umzugehen und brachte ihr bei, ihre Triebe und Sinne für die Vogeljagd zu kontrollieren. Doch nun, kurz vor Indias 18. Geburtstag, verstarb Richard Stoker unter ungeklärten Umständen. Doch bevor India und ihre ebenfalls nicht wirklich stabile Mutter Evelyn (Nicole Kidman) sich richtig damit abfinden können, tritt auch schon ein neuer Mann in das Leben der beiden Frauen: Charles Stoker (Matthew Goode), genannt Charlie, der jüngere Bruder des dahingeschiedenen Ehemannes und Vaters – und noch dazu ein verjüngtes Ebenbild desselben. Ein großes Faszinosum, sowohl für Evelyn, der die Avancen des adretten jungen Herrn natürlich schmeicheln, als auch für India, die sich merkwürdig verbunden fühlt mit dem ihr eigentlich fremden Mann. Und auch Charlie gibt sich auffällig stark interessiert an seiner Nichte. Und hat dabei doch noch so viele dunkle Geheimnisse im Gepäck.

Szenenbild 1

Es wurde ja einleitend schon angedeutet, und es sei hier nochmals verdeutlicht: Nein, Onkel Charlie ist kein Vampir. Doch diese Erkenntnis schmälert in keinster Weise das abgrundtiefe, dunkle Mysterium, dass Matthew Goode hier hinter der stets freundlich lächelnden Fassade seiner Figur angelegt hat. Eine tolle Leistung, die man so ja aber schon von ihm kannte. Damals, als er den ähnlich abgründigen Ozymandias in „Watchmen“ verkörperte.

Doch so schön Goode seine Rolle auch ausspielen mag, das klare Zentrum der Geschichte ist India. Und deren Darstellerin Mia Wasikowska kann diesen Ansprüchen mehr als nur genügen. Die Art und Weise, in der sie ihrer anscheinend nicht nur leicht an Wednesday Addams orientierten Figur Leben einhaucht und in der sie teilweise jede Handlung zu einem sinnlichen Erlebnis hochstilisiert (wir erinnern uns daran, wie sensibel die Sinne Indias sind), ist schlicht brillant. Und spätestens wenn sie dann, nach Auftauchen des Onkels, noch eine erwachende Sexualität in ihr Spiel einfließen lässt, dürfte man als Zuschauer völlig in ihrem Bann stehen.

Auch der Rest des Casts weiß zu überzeugen, auch wenn Nicole Kidman sich hier fast ein wenig zu normal gibt. Obwohl sie nicht wirklich schlecht spielt, und die Verletzlichkeit ihrer Figur unter einer Maske aus Koketterie ganz gut zutage treten lassen kann, wirkt sie doch ab und an wie ein Fremdkörper in diesem Ensemble. Allerdings kann man hier wohlmeinend auch Absicht dahinter vermuten.

Szenenbild 2

Das Faszinosum hinter „Stoker“ endet natürlich nicht, wenn man die schauspielerische Leistung hinter sich lässt. Auch die Story erweist sich als großartig dicht, erinnert in Thema und Stimmung nicht nur ein wenig an Philip Ridleys „Schrei in der Stille“ und vereinigt die Rätselspiele einer klassischen Whodunnit-Krimistory mit der latenten Mystik von Gothic Novel und Schwarzer Romantik. Das Ergebnis sorgt für einige wohlige Schauer und für einen Sog, der einen von Anfang bis Ende nicht mehr los lässt. Oder zumindest bis kurz vor Ende, denn die Auflösung aller Rätsel entpuppt sich dann doch als ein wenig zu konventionell, um vollauf begeistern zu können.

Was hingegen vollauf begeistert, sind Bildsprache und Klangkulisse. Denn so gut wie jede Szene wirkt perfekt eingefangen und ist atmosphärisch so herrlich dicht präsentiert, dass es einem nicht nur einmal den Atem verschlägt. Hier zeigt Park Chan-wook, wie meisterhaft er sein Fach beherrscht. Dabei erzählt er seine Geschichte schnörkellos in teilweise etwas zusammenhangslos wirkenden Impressionen, die jedoch sehr leicht zu einem stimmigen Gesamtbild zusammengepuzzelt werden können. Und hat damit einen Film geschaffen, der seinen Zuschauer auch einige Zeit nach Verlassen des Kinosaales noch verfolgen wird.

Szenenbild 3

Fazit:
Wer sich hier ein blutiges Schlachtfest à la „Oldboy“ erhofft, sollte den Erwerb einer Kinokarte noch einmal überdenken, denn „Stoker“ ist mehr eine Innenschau, eine Geschichte über erwachende Triebe und verlorene Unschuld (was uns ja auch der wenig subtile deutsche Untertitel einbläuen will), meisterhaft erzählt in alptraumhaft schönen Bildern. 8/10 Punkte.

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Über den Author:

MartinLiebt das Kino als natürlichen Lebensraum großartiger Filme, wobei „großartig“ für ihn all das ist, was das Hirn zermartert oder das Herz zerreißt – jeweils im Guten wie im Schlechten und gern auch beides auf einmal. Schwärmt derzeit am liebsten über „Irresistible – Unwiderstehlich“, „The Hunt“ und „Violet Evergarden und das Band der Freundschaft“ – außerdem immer wieder gern über „Weitermachen Sanssouci“ und „One Cut of the Dead“.Zeige alle Artikel von Martin →